Beschluss in der Bußgeldsache
gegen Dr. W
Verteidiger: RA Prof. Dr. Stern und Dr. Harald Pickenpack,
Nikolausberger Weg 27/29, 37073 Göttingen
wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbe-schwerde des
Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Holzminden vom 20. Mai 2008 nach Anhörung und auf Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft durch Richter am Oberlandesgericht Rosenow
am 1. September 2008 beschlossen:.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an
dieselbe Abteilung des Amts- gerichts Holzminden zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 10. Juni 2007 um 13.15 Uhr in der Gemarkung Dielmissen
die Bundesstraße 240 mit einem Pkw in Richtung Eschershausen auf Höhe Km 4,6 mit einer Geschwindigkeit
von 161 km/h, obwohl dort die allge- mein zulässige Höchstgeschwindigkeit für Landstraßen mit einem
Fahrstreifen je Fahrtrichtung von 100 km/h außerorts galt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die
Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines näheren Eingehens auf die
erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.
Die Urteilsfeststellungen sind lückenhaft. Ein auf die Sachrüge zu beachtender Mangel liegt darin,
dass die Ausführungen zur Feststellung der Identität des Betroffenen nicht ausreichen, um dem
Senat die Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen.
Urteilsgründe müssen so gefasst sein, dass das Rechtsbe- schwerdegericht nachvollziehen kann,
ob das von der Geschwin- digkeitsmessanlage aufgenommene Belegfoto die Identifizierung einer Person erlaubt.
Diese Forderung kann das Tatgericht dadurch erfüllen, dass es in den Urteilsgründen auf das in der
Akte befindliche Foto gemäß §§ 277 Abs.1 S.3 StPO, 71 Abs.1 OWiG Bezug nimmt (vgl. BGHSt 41, 376, 382; ständige
Rechtsprechung des erkennenden Senats, zuletzt Beschlüsse vom 9. Juni 2008, 322 SsBs 114/08, und
vom 16. April 2008, 322 SsBs 87/08). Dann wird die Abbildung als solche unmittelbar zum Bestandteil der
Urteilsgründe und der Senat kann sich durch Augenscheinseinnahme überzeugen, ob das Bild von ausreichender
Qualität für eine Identifizierung ist. Das ist hier nicht der Fall. Denn das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt,
dass es den Betroffenen anhand des von dem Geschwindigkeitsmessgerät erstellten Beweisfotos als Fahrzeug- führer
identifiziert habe, und die Seitenzahl angegeben, auf der sich das Beweisfoto in den Akten befindet. Das ist - auch in
Zusammenhang mit den nachfolgenden Urteilsausführungen - keine ordnungsgemäße
Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs.1 S.3 StPO, sondern allenfalls eine Beschreibung des Beweiserhe- bungsvorgangs
bei der amtsgerichtlichen Augenscheinsein- nahme. Diesen Ausführungen ist nicht deutlich und zweifelsfrei
zu entnehmen, dass die Lichtbilder bzw. deren Kopien zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht
werden sollten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Januar 2004, 222 Ss 196/03 - Owi - und vom 16. April 2008, a.a.O.).
Ist ein ordnungsgemäßer Verweis auf ein Lichtbild wie vorliegend nicht erfolgt, muss das Urteil Ausführungen zur
Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen
Eigenarten so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei
Betrachtung des Fotos die Prüfung der Beweiseignung des Fotos ermöglicht wird (BGH a.a.O. 384; Senatsbeschlüsse
vom 26.6.2003, 222 Ss 96/03 – Owi; 23.10.2003, 222 Ss 226/03 – Owi; 26.2.2008, 322 SsBs 31/08; 16.4.2008, a.a.O.) Auch
diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil der Tatrichter im Wesentlichen nur das Ergebnis seiner
vergleichenden Betrach- tung mitteilt. Die Schilderung der Übereinstimmungen zwischen Betroffenen und der auf dem Messfoto
und weiteren Lichtbildern abgebildeten Person erschöpft sich in dem vagen Hinweis, dass das Gericht anhand der Kopfform, des
Halsbereichs und der Nasen-Mund-Partie das Foto ohne Zweifel dem Betroffenen zuordnen konnte. Das genügt den aufgezeigten
Anforderungen nicht, zumal auch die Darlegungen zur Qualität des Messfotos unzureichend sind, was umso mehr gilt, als der
Tatrichter ausdrücklich ausführt, dass die weiteren angesehenen Fotos von besserer Qualität waren als das Messfoto.
Bereits aufgrund dieses aufgezeigten Mangels konnte das angefochtene Urteil insgesamt auf die Sachrüge keinen Bestand haben.
Der Senat konnte allerdings nicht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden, weil ergänzende Feststellungen
möglich und geboten sind und ein Verfahrens- hindernis nicht besteht.
Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat noch darauf hin, dass die Urteilsformel nicht dazu dient, die tatsächlichen
Umstände des Einzelfalls wiederzugeben, sondern nur die rechtliche Bezeichnung der Tat in knapper verständlicher
Form enthalten soll (vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., Rn. 20 zu § 260).
Rosenow
Stand: 14. September 2008
|